Interview mit Dieter Serfas
Interview mit dem Amon Düül II / Embryo-Schlagzeuger und Jugendfreund von Christian Burchard Dieter Serfas
Ich muss zu Dieter vorab etwas hinzufügen. Dieter ist einer der freundlichsten und offensten Menschen, denen ich je begegnet bin. Hinzu kommt, dass ich die meisten Embryo-Konzerte mit ihm erlebt habe. Er war halt Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger dabei, genau zu dem Zeitpunkt, wo ich in embryoworld eingestiegen bin. Und mir war damals peinlicherweise überhaupt nicht klar, dass er der Jugendfreund von Christian Burchard war. Sie sind in Hof gemeinsam zur Schule gegangen, haben gemeinsam Mist gemacht, aber eben auch gemeinsam den Jazz entdeckt. Durch Schober`s Buch über Amon Düül II „Tanz der Lemminge“ ist er etwas in ein schlechtes Licht gerückt worden. Zu Unrecht. Und ich weiß jetzt, wie das Buch über Amon Düül II gestrickt wurde. Es zeigt mir einmal mehr, wie wichtig es ist, korrekt und respektvoll über Musiker zu berichten.
Dieter, du bist der Jugenfreund von Christian gewesen, hast mit ihm und Edgar zunächst das Contemporary Trio gegründet, dann bei Amon Düül II mitgespielt, um dann 1971 als Lokalredakteur bei der Frankenpost in Hof zu arbeiten. Wenn man die Biographie der anderen Musiker, die anfangs dabei waren und kontinuierlich in der Branche verhaftet blieben, anschaut, ist das ja in gewisser Weise ein Bruch. Kannst du noch beschreiben, was dich damals bewogen hat, als Redakteur zu arbeiten?
Ja, Christians Berufswunsch war schon in der Schule Jazzmusiker. Während ich noch irgendwie Regisseur werden wollte oder was anderes angab, hat Christian früh seinen Traum beschreiben können. Wir haben dann bei mir zu Hause einfach auf Töpfen getrommelt. Irgendwann hat Christian mich dann im Gartenhaus meiner Eltern eine Stunde eingeschlossen und gesagt: ‚Jetzt übste mal‘. Wir haben dann in Nürnberg den Edgar Hofman getroffen, haben dann das Contemporary Trio gegründet. Das war Jazz, das war großartig. Wir haben sogar gute Kritiken auf dem Jazzfestival bekommen. Irgendwann sind wir dann nach München, und ich bin in die Düül-Kommune. Aber da gab es dann einen Bruch zwischen denen, die einfach als Kommune leben wollten und nebenbei irgendwie Musik machen wollten und solchen wie Chris Karrer, die Komponisten waren, und denen dieses Kommunenleben auf den Sack ging.
Da kam es kurz vor dem Essener Festival zum Bruch. Embryo und Amon Düül II hatten dann den gleichen Probenraum, und wie das so ist, wenn man auch miteinander probt. Ich bin dann gewechselt. Chris Karrer meinte dann, dass das Vibraphon gut sei für die „Phallus Dei“, und dann war Christian auch kurz dabei. Er war aber da noch der Meinung, dass allein Jazz angesagt sei. Er hat dann Eva kennengelernt, und weil ich solo war und in die Kommune eingezogen war, habe ich ihm meine Wohnung in München überlassen. Irgendwann sagte er dann zu mir. ‚Hey, du spielst mit Amateuren zusammen.‘ Daraufhin hat er dann als Reaktion Embryo gegründet. Erst etwas später merkte er, dass jetzt Neues wie Rock und Krautrock und Psychedelic-Klänge angesagt waren. Na ja, Mal Waldron war schon super, oder auch Benny Bailey. Aber die Musikszene änderte sich, und Jazz galt bald als etwas verstaubt. Ich war ja auch eher jazzorientiert, und Amon Düül II war für mich deswegen zwiespältig. Wie gesagt, der Chris war eher musikorientiert, spielte unter anderem das Sopran Saxophon, und deswegen trafen wir uns immer mal wieder unter den Isarbrücken, um dort zu jammen. Ja, und dann war ich bei Amon Düül II dabei, und der Christian war noch immer straight auf Jazz. Da hat es Differenzen gegeben, aber kein Zerwürfnis oder so, nein. In der Kommune bin ich dann Vater geworden, und dann kamen bald Existenzängste und so. Du musst ja irgendwie deine Familie ernähren, dachte ich mir. Ich bekam solche Angst, das war schon fast ne Psychose. Hin und wieder spielte ich dann bei Embryo mit.
Wir fuhren dann Jahre später einmal nach Berlin, spielten da auch mal mit Edgar Froese, wollten einen ganz neuen Sound machen. Aber der Edgar, der hatte es nicht nötig, mit Musik Geld zu machen. Seine Frau hatte einen Verlag oder so. Ich aber brauchte Auftritte, um Geld zu verdienen. Die Konkurrenz unter Musikern war riesengroß, und alle konnten so unglaublich viel an den Instrumenten. Da war bei mir viel Neid und Eifersucht dabei. Und ich habe gedacht, Mensch, das ist so hart alles. Hier verdienst du auf Dauer nichts. Der Musikzirkus ist in dieser Form nichts für dich. Als ich dann hörte, wie Rio Reiser zu seinem Gitarristen sagte, was willste denn mit diesem Pop-Arsch, war ich total frustriert. Rio war radikal. Ich habe 1971 das Angebot von der Frankenpost bekommen und dort als Lokalredakteur begonnen. Ich musste ja Geld für meine kleine Familie verdienen. Im Musikbusiness konnte ich nicht überleben. Aber für Embryo habe ich im Frankenland immer wieder Konzerte organisiert, auch nach der Indienreise. Aber da war die Musik plötzlich anders, und natürlich gab es da Probleme und Unzufriedenheit.
So Mitte der Achtziger, wir hatten gerade ein Privatradio in Hof aufgebaut, rief mich Christian an. ‚Hey, du wolltest doch immer nach Afrika. Ich hab da was. Nigeria. Das wird vom Goethe-Institut unterstützt. Weil ich einen tollen Arbeitgeber hatte, der mich freistellte und ich unbezahlten Urlaub nehmen durfte, fuhr ich mit nach Afrika. Bis Ende der Achziger war ich dann einige Jahre dabei und tourte mit Embryo in Deutschland, DDR, Italien, Spanien und Marokko. Ich hatte ja Geld…dann habe ich eine Dummheit gemacht, und wurde mit Speed, das ich für einen Arbeitskollegen besorgt hatte, erwischt, und war auch noch bekifft. Das bedeutete die sofortige Kündigung oder eine Versetzung, bei der ich keine Freiheiten für meine Embryotouren gehabt hätte. Weil aber die große Japantournee anstand, auf die ich nicht verzichten wollte, willigte ich in eine Kündigung ohne Abfindung ein. Dann war ich wieder nur bei Embryo. Wir reisten viel. Meine Frau sagte dann irgendwie, ne, so geht das nicht weiter: Was weiß ich, was du dahinten alles so machst. Andere Weiber und so…Und der Chris Karrer, der auch längere Zeit wieder dabei war, hatte schon beobachtet, wie das in der Band ablief. Wenn Embryo beispielsweise in Hamburg war, spielte Christian mit Leuten vor Ort zusammen. Ich bin ein paar Mal von Christian versetzt worden. Man holte mich einfach nicht ab. Der Chris meinte dann, du bist der nächste, der fliegt. Ja, und ich merkte auch, dass Christian keine wirklich feste Formation mehr hatte, alles im Netzwerk mit Leuten auf Touren ablief. Als ich Christian dann darauf ansprach, sagte er nur: ‚Musst dir halt was Eigenes aufbauen.‘
Das hab ich dann zwangsläufig auch gemacht mit meiner Band „Eartransport“. Mit der war ich auch auf Tour und hab die CD „Eartranceport“ mit Bremer Musikern produziert. Musik hab ich weiter gemacht. Manchmal auch mit Embryo. Meine jüngste Band heißt „Europayer“. Ich bin nicht sauer. Ich verstehe das alles. Der Christian hat selbst all die Zeit ums Überleben gekämpft. Mitte der Achtziger konnte Embryo sich kaum mehr den Tourbulli leisten. Da ist viel Geld allein in die Logistik geflossen. Die Eva, die hat das alles verstanden. Die hat auch die Hände über den Kopf geschlagen, als sie hörte, dass ich den Job verloren habe. Sie hat mir gleich gesagt, du, der Christian hat da nichts weiter für dich. Christian hat sogar darauf geachtet, dass ich für Gigs, die sich seiner Meinung nicht lohnen, nicht extra nach München oder sonstwohin kommen sollte. Er hat das immer ehrlich gesagt.
Was sagst du dazu, dass Marja das heute weitermacht?
Super. Ich habe sie ja live gesehen. Da war das Embryo-Feeling ganz so wie früher. Ich finde das super. Da wird die Wertigkeit weitergelebt, diese Spontanität. Und es geht schließlich auch darum, dass sich die Freaks einfach treffen können. Ich war beim Gig in Nürnberg. (Anmerkung:18.08.2017) Um acht Uhr war da noch keiner, und ich dachte, oh Gott, das wäre aber schade, wenn keiner käme. Und um kurz vor neun Uhr war die Bude rappelvoll.
Bildquellen
- Embryo bei Fela Kuti in Nigeria: Embryo
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