Interview mit Maasl Maier
Maasl Maier wurde 1990 in Tettnang geboren, spielt unter anderem Bass, Schlagzeug, Tuba und Saxophon. Er hat eine Ausbildung zum Tontechniker absolviert, half bei der Gründung und Entwicklung des Tonstudios „Klangschutz“ mit und ist seit 2015/2016 bei Embryo dabei. Christian Burchard hatte mir in Münster 2015 bereits die Münchener Band „Karaba“ wärmstens empfohlen, die Maasl mit Freunden 2011 formierte. Karaba ist eine überragende Jazz-Rock-Formation, die ich nur jedem ans Herz legen kann, der Kraut, Jazz, Rock und Space in einer bunten, neuartigen Mischung aus John Mc Laughlin, Pink Floyd und Embryo mag. Maasl hat alle Instrumente autodidaktisch erlernt, und neben seiner Spielkunst hat er ein großes, technisches Verständnis und ist zudem noch ein toller Fotograf und Mensch. Multivitaminsaft pur.

Maasl hat die letzte Marokko-Tour mit Christian Burchard 2016 mitgemacht, die wegen des Schlaganfalls von Christian abgebrochen werden musste. Als ich ihn das erste Mal 2016 in Pfaffenhofen vor dem Konzert mit den Misha-Brüdern treffe, wo wir gemeinsam in einer Pizzeria sitzen, habe ich das Gefühl, dass er ständig neue Eindrücke aufnimmt, neugierig ist. Auch später in Herford 2017 spüre ich, wie es in ihm arbeitet, wie interessiert er sich die Musik anderer anhört. Im Dezember 2017 frage ich ihn, wie er die London-Tour 2017 im Herbst empfunden hat, die ja auch über die Benelux-Länder führte.
„Es ist wie immer sehr beeindruckend, an welche Orte und Menschen einen Embryo führt und auch, wie man sich immer mehr und mehr im Klaren wird, was für ein unglaublich weit gespanntes Netzwerk sich Embryo in all den Jahren über ganz Europa und darüber hinaus gespannt hat. Musikalisch ist jedes Konzert anders, Raum und Zeit haben immer einen großen Einfluss auf die Musik.“

Ich möchte wissen, wer ihn geprägt hat, wie er seinen Stil beschreiben würde und was ihn zur Musik geführt hat.
„Musikalisch angeregt und inspiriert hat mich viel. Wüsste nicht, wie ich meinen Stil beschreiben sollte. Das ist eher Aufgabe anderer. Ich bin so ungefähr im Alter von 21 auf die Musik der 70er Jahre gestoßen und habe dann wahnsinnig viel Zeit damit verbracht, sie in all ihren Facetten kennen zu lernen, von dem Amerikanischen Psychedelic Rock über die Canterbury Scene bis hin zum Krautrock. Und Bands aus allen möglichen Ländern.“

Das kann ich im musikalischen Suchradar gut nachvollziehen, und trotzdem ist ja auch München schon immer am Puls der Zeit gewesen. Wie läuft man sich da eigentlich über dem Weg und wie kommt man da zusammen?
„Nachdem ich Marja vor ca. 8 Jahren kennen gerlent habe, kam sie hin und wieder in unseren Bandraum und hat uns viel gelehrt. Das erste Mal hörten wir von ungeraden Rhythmen und Vierteltönen, womit unser Horizont um Weiten größer wurde als zuvor. Also selbstverständlich auch die Embryo-Schule mit dem Know-how und Repertoire aus den verschiedensten Kulturen. Meine erste Begegnung mit Embryo war sehr romantisch. Ich hatte mit meiner damaligen Band einen Proberaum im Keller eines Wohnhauses im Herzen Schwabings. Ein Klo gab es aber nicht. Daher mussten immer die Büsche im Innenhof herhalten. Eines Tages stand ich mit meinem Mitmusiker im Hof, und wir hörten Musik, die einfach genretechnisch nicht einzuordnen war. Als wir uns dann sicher waren, dass die Musik nicht aus der Konserve kommt, sind wir von Zaun zu Zaun durch die Innenhöfe gesprungen, bis wir letztendlich in den Nietzschekeller (Embryokeller) geraten sind, eine Untergrund-Spielunke. Da habe ich das erste Mal Embryo erleben dürfen. Obwohl ich mich gut mit der Musik der 70er Jahre auseinandergesetzt habe, ging mir diese Band komischerweise durchs Netz.“

Warum in die Weite schauen, wenn das Gute so nahe liegt, denke ich. Aber so ist das Leben manchmal. Gibt es eine besondere Beziehung zum Bass? Ich erinnere mich an die Worte von Helmut Hattler von Kraan, für mich der beste unter der Basssonne, der mal gesagt hat: ‚Für einen Bassisten, der grundiert, ist der Groove das Gerüst schlechthin.‘
„Spaß an der Musik hängt bei mir nicht sonderlich vom Instrument ab. Am meisten Freude empfinde ich bei abwechlungsreichem und kommunikativem Zusammenspiel. Die magischen Momente, für die es keine oder tausende Worte gibt. Komme ursprünglich von der Gitarre. Weil so gut, wie jeder ein bisschen Gitarre spielt, wurde ich in meiner ersten Band an den Bass verdonnert, womit ich aber keine Probleme hatte, da mir das rhythmisch Orientierte sehr gut lag. In meiner zweiten Band (Hash Assassins), was sehr verkiffter Psychedelic Rock beinflusst durch die Musik der Ende 60er war, saß ich dann aber hinter dem Schlagzeug. Vor ca. 3 Jahren kam ich dann über die Express Brass Band zum Tuba spielen und vor ungefähr 5 Monaten habe ich mit dem Saxophon angefangen. Doch es gibt tausend andere Instrumente aus aller Welt in unserer Wohnung, denen ich auch hin und wieder etwas Zeit widme.“
Seine Antwort bestätigt mich in meinem Eindruck, dass auch für Maasl die Welt der Musik Weltmusik ist, noch viele Instrumente und noch mehr Geschichten auf ihn warten. Das ist eine wichtige Antriebsfeder, um sich weiterzuentwickeln, glaube ich. Alles ist eben im Fluss. Ich frage mich einmal mehr, wie Menschen mit unendlich weit ausgestreckten Antennen aufwachsen, wie sie Grenzen überwinden, wer und was sie beeinflusst. Er antwortet:
„Glücklicherweise wurde ich in meiner Kindheit von ,,schlechter Musik“ weitgehend verschont. Mein Vater hörte hauptsächlich Klassik und sonst Beatles, Stones, Joe Cocker und wie sie alle hießen. Meine Mutter hatte nie viel mit Musik am Hut, hatte aber viele nigerianische Tapes und CD´s. In der Schule hörten alle immer den aktuellen Chartmüll, mit dem ich nie etwas anfangen konnte. Was mich so halb zum Außenseiter gemacht hat. Es gab aber immer Leute, die ein paar Klassen über mir waren, mit denen ich mich über Musik austauschen konnte. Zu meinem 15.Geburtstag hab ich von meiner Tante meine erste Western-Gitarre bekommen. Der Wahn hat mich dann aber erst ca. 2 Jahre später gepackt, als ich dann einmal ein Schulpraktikum im Musikgeschäft machte und daraufhin musikalischen Anschluss gefunden hab. Mein Vater hat mich immer großherzig und spendabel unterstützt, meine Mutter ist und wäre es immer lieber, ich wäre Arzt oder sowas geworden.“

Der Zugang zur Musik, egal, auf welchen Wegen er erfolgt, ist, glaube ich, wirklich eine Art Zündung im Leben, die aber nur wenige tiefer weiterverfolgen. Es gibt nicht nur gute Musik hier, sondern eben auch in Nigeria oder Burkina Faso, in Ägypten oder Südkorea. Irgendetwas wird wohl von den nigerianischen Tapes der Mutter auch bei Maasl hängengeblieben sein.
Interessant finde ich, dass sich viele erst in der Fremde ihrer musikalischen Wurzeln bewusstwerden. So schreibt Ji-Hye Kim zur koreanischen Samulnori-Musik: „Ein anderes Erlebnis hatte ich im März 2005 in Münster, als ich das erste Seminar für Samulnori für die in Deutschland lebende zweite Generation von MigrantInnen, HalbkoreanerInnen und zurzeit in Deutschland lebenden KoreanerInnen besuchte. Dort fiel mir ein sehr großes Interesse an koreanischer traditioneller Musik auf, begleitet von einem großen Interesse an kulturellem Austausch bei gleichzeitiger ethnischer Verbundenheit. Als unter diesen Vorzeichen ein Konzert in einem Dorf veranstaltet wurde, konnte ich sehen, wie dieses Bewusstsein von der zweiten Generation begeistert getragen und ihre Aktivität von deren Eltern und Familien unterstützt wurde.“[1]
Wer sich Samulnori-Musik einmal genauer anhört, kann spüren, dass die vier Instrumente (kleiner Gong, großer Gong, Sanduhrtrommel und Fasstrommel) die vier Naturelemente Blitz, Wind, Regen und Wolken symbolisieren. Das sind spektakuläre Klangerlebnisse, die man immer wieder neu entdeckt. Ich möchte schließlich von Maasl erfahren, ob es Erfahrungen mit Embryo gibt, auf die er beim nächsten Mal verzichten könne? Ich habe da besonders das Konzert in einem sozialen Brennpunkt in Köln im August 2017 im Auge, wo es Ausschreitungen gab. Oder gehört das zur Band, die ja immer künstlerische Basisarbeit geleistet hat und nah am einfachen Menschen waren?
„Wir haben uns bewusst dafür entschieden im Köln´s größten ,,sozialen Brennpunkt“ zu spielen. Die Absicht war auch eher, wie du so schön sagst, künstlerische Basisarbeit zu leisten. Leider gab es (nicht zum ersten Mal) einen Drogenbandenkrieg, der mit mit dem Konzert nichts zu tun hatte. Natürlich keine positive Erfahrung, aber kein Grund, sich von solchen Orten fernzuhalten.“
[1] Ji-Hye Kim, Ich höre das Fremde und spiele das Eigene. Musik, Kultur und Identitätsbildung am Beispiel Samulnori. Berlin 2001. S.1.
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