Interview mit Michael Wehmeyer
Michael ist seit 1977 dabei, ist schon auf der Apo Calypso zu hören. Er ist ein lebendiges Archiv dieser Band, ein großartiger Musiker und Geschichtenerzähler, der mit „A Journey of Music and Peace“ einen wundervollen Film über Christian Burchard und die Band geschaffen hat. Zugleich hat er mir unendlich viel Bildmaterial zur Verfügung gestellt, wofür ich sehr dankbar bin.

Michael, sag einmal – wie bist aufgewachsen und wie bist du zur Musik gekommen?
Ich bin in Bielefeld aufgewachsen…habe Klavier gelernt, so ganz klassisch, aber in der Zeit waren ja dann ganz verrückte Sachen angesagt…wir hatten dann in Bielefeld ne Band, aber ich weiß echt nicht mehr, wie die hieß…
Ostfalen um Bielefeld und Herford herum war ohnehin musikalisch ne aktive Region, oder – ich meine, wenn ich auch an Missus Beastly denke, und dann an die Festivals da in der Region…, aber wie ging es dann weiter…wie bist du nach München gekommen, und wie hast du Embryo kennengelernt?
Ja, stimmt, in der Region war und ist noch viel los. Ich habe in Bielefeld auch Anfang der 70er Embryo live gesehen, wusste aber damals nicht, wer die waren…
Ach, war es das Konzert mit dem Symphonieorchester in der Dr. Oetker-Halle?
Ne, das Konzert in der Oetker-Halle war später…ne, ich bin jedenfalls nach München gegangen, so 1975 oder 1976, weil ich was mit Film machen wollte…habe dann aber auch andere Vorlesungen besucht…und dann habe ich in einer Band namens Semiramis gespielt, und die waren Freunde von Embryo, waren auch Vorband, und wir hingen halt miteinander ab…ja, und dann hieß es auf einmal, der Dieter Miekautsch steigt aus, und du kannst spielen, du musst spielen…ja, so war das…und da war die Indienreise schon in Planung irgendwie…
Du hast dann den Dieter Miekautsch bei Embryo ersetzt, von dem niemand weiß, wo der heute ist. War es das berühmte kalte Wasser- und wie hast du dich damals gefühlt …? – ich meine, Embryo war damals schon ne Band, die sehr bekannt war….
Absolut. Die Band war angesagt, vielleicht schon nicht mehr so wie zu Beginn der 70er, aber das war halt auch später noch eine verrückte Zeit. Vor allem hatte Christian durch seine Connections zu Mal Waldron einen unheimlich guten Ruf und einen direkten Draht zu wichtigen Leuten…das war dann mitunter einfach, aber es war für mich eigentlich auch nicht schwer, weil…wir waren halt Freunde…. Ich kann mich noch erinnern, wie ich das erste Mal in ihre Kommune kam, da saß Roman Bunka mit langen Haaren in der Küche, da lagen die in der Suppe, und das war kein Problem, weil es war einfach egal… das waren Hippies eben, das war da noch angesagt, man teilte alles, und es war ein Kommen und Gehen…ich glaube, die Tür wurde nie abgeschlossen…
Und dann kam ja schon die Asienreise. Wie hast du die Asienreise erlebt? Was ist dir besonders stark in Erinnerung geblieben? Und mit welchen Musikern passte das Zusammenspiel besonders gut?
Musikalisch funktionierte es eindeutig am besten mit dem Radio Kabul Orchester. Das war ein Groove, und das passte einfach zusammen. Afghanistan war ohnehin unglaublich. Da gingen die Leute voll ab. Es gab ja damals auch eine Deutsche Schule in Kabul, und da konnten auch einige Deutsch. In Pakistan war dann nicht mehr so viel los. Ich weiß nicht, warum. Dann wieder Indien. Wir hatten ja über das Goethe-Institut und dem Hartmut Geerkens schon Connection. Ein ehemaliger Roadie von Embryo, der zwei Busse, die seiner Familie gehörten, zu Schrott gefahren hatte und sich mit seiner Familie überworfen hatte, ist ein Jahr zuvor nach Indien gereist. Da ist er dann zum Goethe-Institut, ob die sich nicht vorstellen könnten, dass Embryo da spiele, er kenne die Band. Und der Hartmut Geerkens, der hatte was beim Goethe-Institut zu sagen, und Embryo war natürlich ein Begriff…so ist das in die Wege geleitet worden…auch der Roman war zuvor in Indien…der hat dann die Kontakte zu Trilok Gurtu gehabt…ja, und dann natürlich das Karntaka College of Percussion, das war auch super mit denen…
Auf so einer Reise, besonders damals, bekommt man sicher extrem viele kulturelle Eindrücke in kurzer Zeit mit. Hattet ihr nicht Angst? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles so ein Ding der Coolness ist. Christian erzählte mir was von Hunden, vor denen ihr in Ostanatolien weglaufen musstet. Ihr hattet versucht, euch einer zeltenden Gruppe mit Geschenken anzunähern, und dann haben die euch die Hunde auf den Hals gehetzt. Und auch von Verhaftungen im Iran habe ich gehört.
Von den Hunden weiß ich nichts mehr, aber ganz ehrlich, wir waren total naiv damals. Wir haben es einfach gemacht, ohne uns einen Kopf zu machen, und ja, die Band steckte damals schon in einer Krise, auch wenn ich das nicht ganz so mitbekommen habe. Deswegen ja auch dieses Asien-Ding. Und dann wurden es immer mehr, die mitwollten, und dann waren da so Filmer bei, ja, und dann waren wir 22 Leute etwa, andere sind noch später dazu gestoßen, meine ich. Ja, im Grunde war das naiv. Christian wollte damals in Teheran noch unbedingt ein Foto von einer Brücke machen, ist dann hin, ja, und dann wurde er kurz festgenommen. Es war in der Umsturzzeit damals schon schwierig…aber die bewaffneten Leute wussten dann auch nicht, was sie mit uns anfangen sollten. Sie haben unseren Bulli durchsucht, und hätten sie die Filme entdeckt, ne, dann wäre es ganz schwierig geworden. Weil sie aber nichts gefunden haben, ließen sie uns weiterfahren. Natürlich kannten wir die Umstände ein bisschen, wir sind ja schon alle noch mit Büchern aufgewachsen und haben uns auch mit der politischen Situation der Länder auseinandergesetzt, aber nicht so, dass jemand sagte…ey, das alles ist zu gefährlich oder so…Iran war ja schon in seiner Entwicklung plötzlich…außerdem musst du dir auch vorstellen, dass der Trip nach Indien für viele normal war…die Leute suchten halt nach neuen Inspirationen…
Und gab es keinen Lagerkoller oder so was? Ich meine, dass man den einen oder anderen über eine so lange Zeit im dicht gedrängten Raum leid wird.
Ne, auch weil wir wussten, dass wir auf diesem Trip zusammenhalten mussten. Es war auch klar, dass keiner irgendwie Alkohol trinken sollte, weil das Aggressionen schürt. Das war ohnehin damals so, dass Leute, die zu viel soffen, bald aus der Band geschmissen wurden.
Bei Krautopia hast du ein ziemlich interessantes Interview gegeben. Es wirkt sehr ehrlich, sehr frisch. Ich glaube, es ist die einzige Quelle, in der steht, was genau das Problem damals war, als sich eine Gruppe auf der Reise abspaltete. Ich meine, der Name „Embryos Dissidenten“ ist ja weniger nett. Habt ihr da mal alle gemeinsam später noch darüber gesprochen? Ich meine, der Uve Müllrich und die anderen sind ja durchaus noch mit Embryo aufgetreten. Und Bajka hat ja mal was mit Marja gemacht. Da sind keine tiefen Gräben geblieben, oder?
Nein, alles gut. Die Dissidenten sind dann einen anderen Weg gegangen, ich war noch kurz dabei, aber da ging es mehr um Ethno-Pop, der dann groß angesagt war, und das war nicht so meins. Wir hatten auch erst keine Auftritte, und ich wollte einfach spielen. Daher bin ich wieder zurück nach Embryo.
Was hast du danach gemacht – ich meine, wie ist dein Weg danach verlaufen…? Du lebst jetzt in Berlin…hast unter anderem eine Band namens Rhythm4Wind gegründet…
Ich habe 16 Jahre für Embryo gespielt. Dann kam die Familiengründung, ja, und dann ändert sich halt vieles. Jetzt arbeite ich als Cutter für die Deutsche Welle. Ich spiele ab und an noch mit Embryo, wenn die in Berlin sind. Und auch Rhythm4Wind ist mehr ein Projekt, weil wir alle woanders wohnen.
Würdest du alles heute noch genauso machen, ich meine alle diese Verrücktheiten…, die ja keine waren, sondern nur die Neugier. Oder was hat dich angetrieben…?

Das war einmalig und ist einmalig, und ich würde es genauso machen heute. Ich meine, wenn ich mir heute die Jazzszene in Berlin ansehe, die ja wirklich aktiv ist, aber die von einer jungen Generation durchdrungen ist, die nicht ein bisschen mehr Musikgeschichte kennt…ich meine, wir damals kannten doch Coltrane oder Hancock oder so…und die heute, schreiben vielfach einen 5-Minuten Auftritt mit einem angesagten Jazzer in ihre Biografie. Nein, so war das früher nicht, und gerade bei Embryo hat sich jeder eingeladen gefühlt zu spielen, und es war egal, ob er in der Szene ne Nummer war oder nicht…er musste nur spielen können und noch mehr lernen wollen…ja, da hat Christian auch drauf geachtet. Es musste halt auch menschlich irgendwie passen.
Und, was würdest du heute sagen, wie würdest du heute die Botschaft sehen, die von Embryo ausgeht…wir haben ein bunteres Deutschland, wir haben viele Afghanen und arabische Flüchtlinge hier…man hat den Eindruck, die Welt von Embryo ist nach Deutschland gekommen…Chance oder Herausforderung – oder beides und es ist so, wie es ist und muss so? Ihr habt ja auch damals auf der Reise nach Indien darüber diskutiert, wie die Lebensumstände in den Ländern sind.
Wir waren der Zeit wirklich irgendwie voraus. Herausforderung, eigentlich nicht, warum Herausforderung? Eine Chance ja, etwas auf eine breitere Ebene zu heben. Ich meine, diese politischen Gräben, die da geschaffen werden, das ist doch Unsinn. Wir haben ja damals Grenzen überquert, aber in Friedenszeiten, und jetzt ist es halt umgekehrt gelaufen, aber unter Kriegsumständen, und nun sind viele Menschen hier. Natürlich haben wir damals auch diskutiert, wie gesagt, wir waren ja nicht nur musikalische Fachidioten oder so, sondern haben alle auch Bücher gelesen. Wenn du mit anderen Kulturen zusammenkommst, wenn du mit ihnen Musik spielst, dann tun sich keine Gräben auf. Dann entsteht da so ein Flow, und das ist es doch, was zählt.
Und hier das frühere Interview bei Krautopia
Bildquellen
- Embryo bei Fela Kuti in Nigeria: Embryo
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